doppelt schwer
Guten Morgen! Oder sollte ich sagen: Guten Vormittag?  Wie auch immer. Gerne wäre ich noch ein 
bisschen im Bett geblieben, aber es gibt zwei Gründe, warum ich es nicht getan 
habe. Erstens ist heute Marathon und unten vor der Haustür sitzt eine ziemlich 
laute Musikantentruppe. Es würde kaum einen Unterschied machen, wenn die bei mir 
im Wohnzimmer wären. Das Getrommel beglückt mich jährlich um diese Zeit seit 
halb zehn. Im Radio kann man sich nichts anhören und im TV kann man auch 
entweder nur die Marothon-Übertragung sehen oder irgendwas mit Untertitel. 
Und der zweite Grund, warum sich liegen bleiben nicht lohnt, ist, daß 
sich alleine liegen nicht lohnt. Denn besonders heute wie gestern früh vermisste 
ich jemanden bestimmtes wieder mal sehr. Ich weiß, daß sie auch mit anderen 
„ausgeht“. Sie ist eine von denen, die mindestens fünf Verehrer an jeder Hand 
haben und sie spielt virtuos mit ihnen. Es gibt Leute, für die tut man bestimmte 
Dinge gerne. Dinge, die man für andere nicht tun würde oder nur wenn es nicht 
anders geht, man auf deren Gegenleistung angewiesen ist. Aber bei ihr tut man es 
gerne, weil es einen gleichsam was gibt, ihr einen Gefallen zu tun. Es ist schön 
wie schmerzhaft mit ihr zusammen zu sein, bzw. ein gewisses Maß an Zuneigung 
bestimmter Beschaffenheit zu hegen, denn das, was wir haben ist weder exklusiv 
noch irgendwie formal gefasst und sie ist wohl das, was man promisk nennt. Sie 
hat mit mehr Leuten Bettgeschichten gehabt, als ich überhaupt kenne. Es macht 
mir nichts aus, wie es Männern normalerweise was ausmacht, weil ihre Freundin 
nicht mehr das unschuldige Bambi ist, dem sie imponieren können und die Welt 
zeigen. Ich beneide sie um die Lebenserfahrung; auch die, die sie in der 
vertikalen gemacht hat. Denn mir fehlt sie eigentlich gänzlich. Ich habe nie 
gejobbt und  auch in anderer 
Hinsicht niemand, für den sich andere interessieren, ich kann froh sein, wenn 
ich wahrgenommen werden, was ich allerdings oft genug nicht bin bzw. war, da es 
sich um negative Erlebnisse handelt. Nun ist es so, daß dieses liebenswerte 
Mädchen -Frau-  mich tief traurig 
macht, auch da sie mir unwissentlich und unwillentlich vor Augen führt, wie 
defizitär ich bin und sein werde, und dennoch möchte ich fast vor ihr in die 
Knie sinken, sie festhalten und bitten, mich nie gehen zu lassen. Ich weiß, daß 
auch wenn ich nicht will, ich auch nur ein Punkt der langen Linie ihrer 
Liebschaften sein werde. Und das werde ich sein. Denn sie wird ihrem Wesen treu 
bleiben und ich, ich mache alles, was unsere Sache -eigentlich die Sache 
zwischen ihr und mir, denn ein uns gibt es wohl nicht- kompliziert macht, 
da ich sie regelmäßig mit meinem Minderwertigkeitskomplex zunöle. Es ist nicht 
selten leicht für mich, Freude zu empfinden, zumal ich nicht weiß, wohin mit 
mir, was ich im Leben will; ich habe nicht mal einen Grund, morgens aufzustehen, 
und soziale Kontakte, sprich Freunde habe ich auch kaum. Es kann schon mal ein 
Tag vergehen, an dem ich kein Wort mit niemandem gesprochen 
habe.
dennoch - ich wünsche mir so sehr, daß sie nie aufhört, mich mit so lieben Augen
anzusehen, wie sie es bisweilen tut, denn das könnte ich nicht ertragen.
 
      

 
  
